Räume öffnen Obernbreit
ehemalige Synagoge Obernbreit Juni 2009
Ein Tag im Sommer
Ich öffne das Fenster, um die Welt herein zu lassen. Licht. Luft.Vogelgezwitscher. Farben. Sonne. Duft von Lavendel, Rosen, Phlox, Kräutern. Während ich ins helle Sonnenlicht blinzle, bemerke ich,wie sich unüberhörbar laut scheppernd noch etwas öffnet. Das große Scheunentor der ehemaligen Synagoge wird beiseite geschoben. Ein dunkler, kalter, unbelebter Raum wirft finster, fast bedrohlich,seinen Schatten auf den hellen Sommertag.
Da setzt mit einem Mal geschäftiges Treiben ein. Mehrere Fahrzeuge fahren vor, fahren wieder weg, Menschen steigen aus, schleppen verschiedene Gegenstände heran, rein, raus, rein, die Grenze nzwischen der Dunkelheit drinnen und der Helligkeit draußen scheinen sich aufzulösen. Stimmengewirr, ein Lachen, das sonst so stille Viertel beginnt zu leben. Sommer draußen und drinnen.
Nicht lange - und schon stürmen Kinder um die Ecke. Das ist ungewohnt. Das Dorf ist vormittags gewöhnlich wie ausgestorben. Plötzlich Schreien, Rufen,flinke Kinderschritte, Lachen. Irgendwo muss ein Tor aufgegangen sein und uns hier das Leben zurückgegeben haben. Rein, raus, raus, rein.
Leinwand und Kreiden in der Hand schwärmen die Kinder grüppchenweise in alle Richtungen aus. Das ganze Dorf ist beseelt von künstlerischen Schaffensdrang. Eifer, Kreativität, Freude, Farbe, Neugierde - all das hockt plötzlich ganz lebendig in den sonst toten Vormittagsstraßen.
Leben zieht Leben an. Lebendigkeit als Selbstläufer. Wo kommen dieMenschen alle her? Fremde steigen aus ihren Autos und steuern zurSpontankunst der Kinder ein bisschen Farbe bei. Oder ein Lächeln. Leute stehen, staunen, strahlen Kinder an. Überall Farben. Überall gesunde Neugier. Sommer in seiner ganzen Fülle.
Er drängt sich zwischen die dunklen, kalten Mauern der Synagoge. Und während Wärme,Helligkeit und Leben diesen verlassenen Ort durchdringen. quillt von innen farbenfroh die Kinderschar hervor, verwischt mit bunten Händen und farbigen Fußabdrücken die Grenzen, macht drinnen zu draußen und draußen zu drinnen - und die Welt ist ein großer, offener Raum.
Bis zum Nachmittag. Dann ist der Zauber erst einmal vorbei. Doch es bleibt etwas in der Luft, etwas Neues, etwas Einzigartiges hat sich bei Lavendel- und Rosenduft eingeschlichen.
Das große Scheunent oröffnet und schließt sich in den folgenden Tagen lautstark noch mehrmals. Und am Ende bleiben viele Eindrücke, Abdrücke, Bilder. Innen und außen. Die Kinder haben etwas geschafft. Und sie haben etwas erschaffen. Sie haben sich anstecken lassen, haben andere angesteckt - ein ganzes Dorf infiziert mit Lebendigkeit. Und diese Lebendigkeit hat sich in füllhornartiger Manier ergossen in allenFarben des Regenbogens auf einstmals weiße Leinwände. Durch Kinderhände hindurch. Platsch! Zwischen Kinderzehen hindurch. Schlurp!
Jetzt sind sie fertig,die Bilder. Hängen in öffentlichen Räumen und strahlen nur so vor Lebendigkeit. Da ist die Welt drin mit ihrem Kindersommerherzengesicht. Und wenn ich sie mir so ansehe, diese leuchtenden, pulsierenden, farbstarken Nuancen, dann sehe ich denSommer, höre das Lachen, fühle die Wärme. Etwas öffnet sich beimA nblick. Etwas sollte sich jedem Betrachter öffnen. So wie sich an jedem Tag im Sommer mein Fenster öffnet.
Susanne de la Fuente
Obernbreit, im September 2009
Moaikbilder setzen sich aus 36 Tafeln, 30 x 30 cm, zusammen. Die Künstler gingen in kleinen Gruppen mit Leinwand und Farbe auf Spurensuche im Ort. In Frottagetechnik wurden gefundene Strukturen auf die Leinwand übertragen.
Zelt bauen
Ein oder mehrere Teilnehmer setzen sich unter die Leinwand. Die anderen Kinder träufeln dann Farbe auf das Zelt. "Es hört sich an wie Regen" sagen die Zelter. Der erste Film über das Zelten ist verfremdet. Die Akteure werden so Teil des bildnerischen Gesamtkonzepts. Der zweite Film zeigt die Originalfotos.
Die Mikwe in der ehemaligen Synagoge Wer sich traute durfe die Mikwe besichtigen und die vielen Stufen unter Aufsicht hinuntersteigen. Für viele Kinder neben dem Malen sicher einer der Höhepunkte des Projektes. |